Cloud-Gewitter

Die Atlassian-Produkte Jira und Confluence sind schöne Produkte. Seit einigen Jahren „zwingt“ Atlassian seine Kunden jedoch mit recht unsanftem Kostendruck in die Cloud. Genau diese Cloud ist nun seit einer Woche und nach Aussage von Atlassian noch für einen Großteil der Cloudkunden noch zwei weitere Wochen offline.

Ursache scheint menschliches Versagen zu sein, im konkreten Fall ein ungenügender Test eines Scriptes, in Verbindung mit einer schlechten, da ungenügenden Wiederherstellungsplanung.

Ich möchte an dieser Stelle nicht über Atlassian schreiben. Menschliches Versagen, ungenügende Tests etc. kommen leider in der IT vor und nicht nur bei Atlassian. Auch wenn Atlassian ein recht großes IT- Unternehmen ist, selbst Unternehmen mit noch erheblich mehr Ressourcen machen die selben bzw. vergleichbare Fehler. Die Nichterreichbarkeitsmeldungen von Cloud-Diensten in den letzten Jahren sprechen hier Bände.

Abhängigkeit bei Mietsoftware

Schreiben möchte ich hier über die sehr ungesunde Abhängigkeit der IT vieler Unternehmen von Cloud-Dienstleistungen und Internetdiensten. Lassen Sie mich zuerst den konkreten Fall darstellen: Sie sind fiktiver Kunden von Atlassian. Sie nutzen Jira und Confluence, Systeme zur Wissensverwaltung, Stichwort Wiki, und zur Ticket- und Aufgabenverwaltung. Für Sie bedeutet der Ausfall: Sie sind „dumm geworden“. Ihr aufgeschriebenes Wissen ist aktuell nicht abrufbar. Sie können auch Ihre Aufgaben nicht mehr verwalten und bearbeiten, denn Sie wissen gar nicht mehr, was Sie zu tun haben. Wenn das drei Wochen lang der Fall ist, ist der Weg der Geschäftsführung zum Amtsgericht vermutlich nicht mehr so weit.

Wie sieht es bei anderen Diensten aus. Betrachten wir gemeinsam Microsoft mit Office 365. Einerseits ist hier die Mailverwaltung enthalten. Bei eine Ausfall des Systems bekommen Sie also keine Mails mehr und können keine Mails mehr versenden, so weit, so verständlich.

Doch die Verknüfungen gehen weiter: Sie haben vielleicht Ihre Office-Programme mit Office 365 gemietet. Kennzeichen dieser Miete ist, dass die Programme, auch wenn Sie „on premise“ lokal auf Ihren PCs installiert sind, regelmäßig mit dem Aktivierungsservern von Microsoft kommunizieren und, wenn sie diese über einen gewissen Zeitraum nicht erreichen oder „der Meinung sind“, die Nichterreichbarkeit ist vorsätzlich zur Lizenzübertretung verursacht, die Arbeitsmöglichkeit einstellen. Sie können also keine Mails mehr bearbeiten, keine Briefe mehr schreiben etc.

Auch Microsoft diente mir nur als Beispiel, die anderen Softwarehersteller mit Mietsoftware arbeiten ähnlich.

Abhängigkeit bei Kaufsoftware

Gehen wir nun davon aus, Sie haben die Software, genauer die Lizenz gekauft. Auch hier kann Ihnen Ähnliches passieren. Bei Neuinstallation müssen Sie die Software ggf. neu aus dem Internet laden. Das ist zumindest dann unkritisch, wenn Sie eine lokale Kopie beim Kauf gespeichert hatten. Doch häufig muss auch gekaufte Software „aktiviert“ werden und muss dazu mit dem Hersteller „sprechen“. Schlecht, wenn dann der Aktivierungsserver aktuell nicht verfügbar ist, dieser ggf. bei älterer Software abgeschaltet wurde, es die Herstellerfirma ggf. gar nicht mehr gibt.

Fazit

Durch die inzwischen handelsüblichen Sicherungsmechnismen bei Software, Aktivierungs- und Lizenzkontrollmechanismen, können Anwendys und Unternehmen still gelegt werden. Bei einer Softwaremiete weiß ein Unternehmen, worauf es sich einlässt, es macht – hoffentlich – eine Risikobewertung und entscheidet sich bewusst, dass Risiko des Vermieterproblems einzugehen.

Kritisch wird es beim Kauf von Software. Hier rechnet der „normale“ Anwendy wohl kaum damit, dass seine gekaufte und bezahlte Software ggf. in Zukunft auf Grund eines Herstellerproblems nicht mehr funktionsfähig ist.

Unsere persönliche Lösung: Der weitestgehende Einsatz von Open-Source-Software.

Eine Herstellerabhängigkeit ist hier nicht gegeben, die eigene Kompetenz oder die Kompetenz eines Dienstleisters im Umgang und der Installation der Software voraus gesetzt. Obacht ist jedoch auch bei Open-Source-Software notwendig. Auch Open-Source-Software wird im Internet bei Hostern bereit gehalten. Und auch hier kann es sein, dass diese Plattformen zeitweise nicht verfügbar sind oder ihren Dienst einstellen. Es ist daher bei einer Entscheidung für eine Open-Source-Software zwingend notwendig, dass Sie als Anwender oder Ihr Dienstleister alle zur Installation und zum Betrieb der Software notwendigen Daten lokal herunterlädt und vorhält. Denn ob die Internetquellen, von der Sie die Software geladen haben, in fünf Jahren bei der nächsten Installation noch verfügbar ist, steht in den Sternen. Doch wenn Sie die Software lokal gespeichert haben können Sie diese erneut installieren. Und Sie haben garantiert keinen Ärger mit Aktivierungsproblemen.

Ein Nachteil des eigenen IT-Betriebs und auch des Einsatzes von Open-Source-Software muss jedoch erwähnt werden: Sie müssen sich mit Ihren Risiken und der Risikominimierung beschäftigen und die für Sie notwendigen Maßnahmen ergreifen. Es reicht nicht, auf die Verträge von Cloud-Anbietern zu schauen. Aber auch die Verträge von Cloud-Anbietern helfen im Falle eines Falles nicht. Atlassian garantiert eine Verfügbarkeit von 99,95% im Monatsmittel, also eine maximale Ausfallzeit von 0,36 Stunden pro Monat – schwer vereinbar mit dem aktuellen Ausfall. Ach ja, wenn der Ausfall länger dauert, müssen Sie keine Miete zahlen. Auch wenn es polemisch ist: Ich bin mir nicht sicher, ob die Mietkosten in einer angemessenen Relation zu den Nichtverfügbarkeitskosten bei den Kunden stehen.

Dr.-Ing. Martin H. Ludwig

Von Dr. Martin H. Ludwig

Dr. Martin H. Ludwig ist Geschäftsführer der ima GmbH, leidenschaftlicher IT-ler und Datenschutzexperte. Wenn er Zeit findet, schreibt er über IT-Probleme oder -Besonderheiten im Blog.

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